Die Kurz-Doktrin zur Flüchtlingspolitik


Sebastian Kurz stellt Forderungen auf, die vom Stammtisch mit viel Applaus bedacht werden, weil sie einfach, simpel und logisch klingen. Unterzieht man sie jedoch einem Faktencheck sieht die Lage gleich anders aus, das ist aber nicht Sache der Stammtische. Das ist ja auch gut so. Das Problem ist, die Flüchtlingsfrage liegt in zweifacher Hinsicht in seiner politischen Verantwortung, nämlich in der Funktion als Verantwortlicher für die Integrationspolitik und als Außenminister. Und da sind die Ergebnisse bisher äußerst mager. Die Lösungen, die er diesbezüglich in der Öffentlichkeit und in Talk-Shows verkündet klingen nach Jörg Haider, der auch für alle komplizierten Fragen stets einfache Antworten parat hatte. Die Bilanz der Haider-Politik kennen wir, Generationen werden daran noch zahlen.

Mit internationalem Recht nicht vereinbar.


Seine Forderung:„Flüchtlinge im Mittelmeer abzufangen, zu versorgen und hernach an die Küsten von wo sie kamen zurück zu bringen“ klingt sehr logisch und einfach. Der Faktencheck zeigt, das geht gar nicht, denn das wäre ein Eingriff in die Souveränität eines fremden Staates, ist also mit internationalem Recht gar nicht vereinbar. Eine Zustimmung wäre nur in langwierigen bilateralen Verhandlungen mit diesen Ländern zu erzielen, wie das Türkei-Abkommen als Musterbeispiel zeigt. Das Ganze gibt es aber nicht zum Nulltarif, wie uns das Türkei-Abkommen auch zeigt. Ganze 3 Milliarden Euro pro Jahr kostet der EU - also auch uns - das Privileg, dass von dort keine Flüchtlinge mehr nach Europa übersetzen. Das muss Kurz in seiner Funktion als Außenminister wissen und er weiß es ja auch. Diese Forderung passiert also wider besseres Wissen, es ist Populismus pur und verantwortungslos.


Oder die Behauptung „Ich habe ja auch die Balkanroute geschlossen“ heftet sich Kurz als seine Leistung an die Brust. Auf den ersten Blick könnte man zustimmen. Dieses Vorgehen war aber ein hochriskanter Akt. Die Schließung ist letzten Endes nur deswegen gelungen, weil Merkel mit Erdogan fast zeitgleich das Türkeiabkommen zustande brachte und damit von dort keine Flüchtlinge mehr nachströmten. Zehntausend sind unter widrigsten Umständen an der Grenze zu Mazedonien, im Lager Idomeni, in Griechenland festgesessen. Nicht auszudenken, wäre das Türkei-Abkommen nicht zustande gekommen. Dann hätten Hunderttausende dort an den Grenzzäunen gerüttelt. Wie hätte dann die Lösung ausgesehen? Auf die Flüchtlinge zu schießen, sie mit Waffengewalt zu vertreiben? Oder sie verhungern zu lassen, darauf zu warten, dass Seuchen ausbrechen? Die Quintessenz ist, Kurz hatte Glück mit seinem Hasard, dass Merkel - trotz aller Kritik im Umgang mit Erdogan, das Türkeiabkommen realisieren konnte. Die österreichische Bundesregierung kann sich also bei Angela Merkel bedanken und nicht bei Sebastian Kurz, es ist ihr Verdienst, dass es zu keiner Katastrophe kam.


Die Frage, die sich für den 15. Oktober 2017 stellt, überlassen wir unser Land einem Hasadeur, der nur den Machterhalt einer Partei, seiner Partei, die ÖVP im Auge hat? Lassen wir es zu, dass aus einer humanen Gesellschaft ein rücksichtsloser Staat entsteht, bei dem nur der Starke das sagen hat? Wir haben die Wahl.